Kontakt:
Kübra Gümüşay

c/o Hanser Berlin – Lehrter Straße 57, Haus 4, 10557 Berlin

Büro betreut von Julia Obermann

office@guemuesay.com
Bürozeiten: dienstags 9.00 – 13.00 + donnerstags 9.00 – 13.00

Bei Interviewanfragen, Lesungen und alle anderen Fragen zu meinem Buch “Sprache und Sein”
hilft Ihnen gerne mein Verlag weiter:

Hanser Berlin

Thomas Rohde
thomas.rohde@hanser.de, +49 30 252 948 015

WAS TUN WIR JETZT? – DER FALL MARWA?


Der Fall Marwa E. hat eine hohe Symbolkraft. Das haben nur Wenige verstanden und nur die Wenigsten richtig zu Nutzen gewusst.

Wer eine Zusammenfassung des Falls Marwa E. lesen möchte, Kathrin hat hier eine sehr gute geschrieben.

Omar hat auf seinem Blog bereits einen wichtigen Schritt gemacht und die Muslime zur Besonnenheit aufgerufen. Einige sind emotional geladen, andere erzürnt. Zum Teil verständlich. In den vergangenen Tagen wurde in Deutschland viel versäumt. Der Fall Marwa E. hätte zum Wendepunkt des deutsch-islamischen Dialogs werden können. Die Gesellschaft hätte sich über die Tat lautstark empören, sie verdammen und durch Aufklärung und Diskussion geschlossen gegen die Diskriminierung der muslimischen Minderheit in Deutschland vorgehen können. Hätte.

Karim El-Ghawhary kommentiert eines der größten Versäumnisse (9. Juli 2009, taz) wie folgt:

“Wann immer es einen Anschlag muslimischer Fanatiker gab, wurden die deutschen Politiker nicht müde, Deutschlands Muslime aufzufordern, Stellung zu beziehen, um den Generalverdacht von sich abzuwenden. Nun stehen die Deutschen zumindest in Ägypten unter dem Generalverdacht der Islamophobie. Wo waren in der vergangegen Woche die Stimmen in Deutschland, die den Anschlag im Gericht verurteilen? Sie waren nicht zu hören.”

Wir haben es mit mindestens drei Versäumnissen zu tun:

1. Die Bundespolitiker und die Bundesregierung verspäteten sich mit der Verurteilung und Empörung dieser Tat. Die islamaphob motivierte Tat wurde gesellschaftlich nur ungenügend sanktioniert.

2. Dass es sich bei der Tat um eine – offensichtlich – islamophobe Tat handelt, wurde nur in den wenigsten Medien auch so dargestellt. Das Thema wurde mal auf das Thema der Sicherheit in Gerichtssälen reduziert, mal auf das Bestreben der NPD gezielt Russlandsdeutsche anzuwerben.

3. Die Islamaphobie wird von der Mehrheitsgesellschaft und der Bundespolitik nicht als Problem – bzw. gesellschaftlicher Missstand – erkannt.

Josef Winkler, der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte der taz (9. Juli 2009) hierzu, “verkappt islamfeindliche Positionen” seien bis in höchste Regierungskreise verbreitet.
Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linken zum gleichen Thema: “Die Bundesregierung macht den Fehler, Rassismus nur als Problem der extremen Rechten zu sehen. Rassismus reicht aber bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft und Übergriffe gehören zum Alltag dieser Republik.”

Trotz oder gerade wegen dieser Versäumnisse, müssen Muslime ruhig und sachlich bleiben. Das Thema ist emotional geladen, darf aber nicht emotional diskutiert werden. Vor allem deshalb nicht, weil Nichtmuslime sich der symbolischen Bedeutung des Falles Marwa E. gar nicht bewusst sind. Das liegt nicht an mangelndem Verständniswillen, sondern schlicht und einfach daran, dass sich Nichtmuslime nur selten über 9/11 hinaus mit dem Thema Islam beschäftigt haben bzw. daran, dass es für einen Menschen der Mehrheitsgesellschaft nur mäßig nachvollziehbar ist, wie es sich als Minderheit in Deutschland lebt.

Muslime müssen in Diskussionen die genannten Punkte im Hinterkopf behalten. Andernfalls treten sie mit hohen Erwartungen an ihre Gesprächspartner heran, es entstehen Konflikte. In den letzten Tagen habe ich mit vielen Nichtmuslimen über den Fall Marwa E. gesprochen. Sie waren schockiert darüber, wie viele wichtige Details ihnen über die Medien nicht weitergegeben worden waren Sie wurden darüber kaum informiert. Auch die Diskriminierung, die kopftuchtragende Musliminnen im öffentlichen Alltag erfahren, ist ihnen nicht bewusst gewesen.

Was sollte also getan werden?

Muslime sollten ruhig und sachlich bleiben, ihre Erwartungen herunterschrauben (auch um nicht enttäuscht und damit emotional zu werden) und unermüdlich an die Medien herantreten, um über Missstände zu diskutieren und damit zu bekämpfen. Diskussion, Diskurs, Aufklärung, Sachlichkeit und zielorientiertes, friedliches Handeln sind die einzigen Möglichkeiten, der Diskriminierung ein Ende zu setzen.

Nichtmuslime sollten sich den Diskussionen öffnen, die Missstände als solche verstehen. Der Mord an Marwa E. sollte genauso empören, wie es ein antisemitisch-motivierter Mord an einem Juden getan hätte. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass die Medien über die Vorkommnisse berichten und die Bevölkerung informieren.

Die Bundesregierung sollte in erster Linie ihre Versäumnisse eingestehen. (Dass dies unsere Bundeskanzlerin trotz Wahlkampf bisher nicht getan hat, sollte uns jedoch zu denken geben.)

Wir alle dürfen die Diskussion nicht auf den Fall Marwa E. reduzieren. Marwas Fall hat Diskussionen ausgelöst, die nicht gleich abebben und auf den nächsten Mord warten dürfen. Wir müssen es schaffen, konstant miteinander im Dialog zu bleiben.

Karim El-Ghawary beendet sein Kommentar übrigens mit einer Ausnahme, die nicht schwieg wie der Rest Deutschlands:
`Man muss kein Muslim sein, um sich gegen antimuslimisches Verhalten zu wenden, und man muss kein Jude sein, um gegen Antisemitismus vorzugehen’, sagt der Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Danke, Stephan Kramer, für diese deutlichen Worte. So selbstverständlich sie eigentlich sind, so selbstherrlich wurden sie in der letzten Woche von der deutschen Politik übergangen.“

Herr Kramer zeigt mit diesen Worten außerdem: Eine Minderheit ist eigentlich keine Minderheit, dafür gibt es zu viele von ihnen.

So könnt ihr aktiv werden: Fordert eine Stellungnahme der Bundeskanzlerin Merkel zu dem Mord an Marwa E., indem ihr hier unterschreibt. Eine Intiative von Melih Kesmen.

Möge Allah Schwester Marwa mit dem Himmel und ihre Familie mit Ausdauer und Geduld segnen. Amin.

Mehr zu diesem Theme hier: ZEIT- Ein Opfer islamfeindlicher Hitze; ZEIT – Der neue Hass; taz – Merkel soll über Marwa reden; tagesschau – Der Mord an Marwa betrifft uns alle

This article is about an terrible incident that has happened at a court room in Dresden (Germany) a week ago. An Egyptian Muslima (and mother of a 3-years-old child) was stabbed to death by an islamophobic Russian-German after insulting her and calling her “terrorist”, “bitch” etc. Read more about the tragic death/murder of Marwa E. here.
German media has unfortunately reacted very strangely to her death and the islamophobic murderer: The public was very late informed about the details of her death (that she was 3-month pregnant, her husband was accidently shot by a police officer etc.). German politicans did not condemn this murder at once, but only a few days later when Muslims in Germany and Egypt started to protest. Muslims in Germany became more and more emotional about the case of Marwa E. I am criticizing this development as emotional debates will not lead to peaceful conclusions. I have made suggestions to all parties – Muslims, Non-Muslims, politicians and media – in order to abolish islamphobia from German society and prevent murders like Marwa E.’s. What happened is really sad, but we need to stay rational.
May Allah bless our sister Marwa E. and help her family.

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

Comments

  • Juli 11, 2009
    reply

    Anonymous

    perfekt kommentiert! Mehr gibt es da nicht zu sagen!

  • Juli 13, 2009
    reply

    Ayse Maysi

    Die selektive Berichterstattung der Medien ist irgendwie erschreckend, wenn ich es mir mal so richtig vor die Augen führe. Erst nach einem Gespräch mit einer Arbeitskollegin, habe ich über die wahren Motive dieser schändlichen Tat erfahren (welche in den Medien überwiegend unter den Tisch gekehrt wurden!). It’s a shame!

Post a Reply to Anonymous cancel reply

DE