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LONDON LIEBEN LERNEN: DER BUS

Dieses Foto ist tatsächlich das einzige London-Bus-Foto, das ich besitze. Trotz der bestimmt 50 London-Foto-Ordner auf meinem Rechner. Das sagt viel aus, über meine Beziehung zum Londoner Bus.

Ganz am Anfang fand ich London toll. Alles war rosa-flieder-grün (oder blau-weiss-rot). Dann war London chaotisch, anonym, reizüberflutend und stressig. Und dann, in der dritten Phase, entwickelte ich einen Sinn für die kleinen Freuden des Alltags – so lernt man London Lieben. Heute: Der Bus. (Einen tollen Vortrag zum studentischen Kulturschock (in den USA) kann man sich hier anschauen)

Aus meinem Notizbuch: Heute lernte ich den Bus Lieben. Dienstag 9.18 Uhr.

In einer Sache bin ich untypisch für London-Zugezogene: Ich ziehe die Bahn dem Bus vor. Das hat den einfachen Grund, dass die Busse 1. ewig auf sich warten lassen, 2. gerne und oft im Stau stehen und 10.: Wenn mal die Fahrkartenlampe rot aufleuchtet, man also nicht genügend Geld auf Oyster-Fahrkarte hat, muss man 2 Pounds blechen – für eine Busfahrt, die normalerweise gerade mal die Hälfte kostet. Bei der Bahn aber kann man in selbiger Situation die Karte einfach am Schalter aufladen (oder “auftoppen”) – und zwar zum Normalpreis.*
Außerdem liebe ich das Zügig-Zackige an der Bahn. Ganz viel Krach, Mind-the-Gap und Zack, schon bist du am nächsten Ort. Im Bus sitzt du aber im Stau und starrst aus dem Fenster und stellst dir vor, wie du rollend oder gar kriechend schneller vorankommen würdest, als der blöde, beknatterte Bus.
Keiner soll mir die Bahn schlecht machen! Die stickige Luft, über die sich alle Touris beklagen, ertrage ich gerne.*

Es ward schlimmer.
In den letzten Wochen verspätete sich mein ungeliebter Bus regelmäßig um teilweise 40 (ich schreib’s noch mal aus, um dieser Tatsache Nachdruck zu verleihen:) vierzig! Minuten! Damit erreichte meine Bus-Aversion ihren ultimativen Höhepunkt. Vor lauter Ärger rief ich fast täglich beim Kundenservice von TFL an. Eine entspannende Rundumbeschwerde; ein Moment der Macht, des trügerischen Gefühl, man könnte etwas ändern. Meine Mitbewohnerinnen stachelte ich ebenfalls an, denn das Beschweren tut einfach zu gut. (Meine Güte, das klingt ja furchtbar typisch deutsch. Von wegen Ausländer. Vielleicht sollte ich diese Regeln hier befolgen: “Was man tun kann, um als Deutscher im Ausland nicht aufzufallen“)

Heute jedoch hat sich mein Ärger etwas gelegt: Ich beobachtete unseren alten Busfahrer oder vielmehr seine Begegnungen mit anderen Busfahrern, die uns entgegenfuhren. Entweder hoben sie zurückhaltend die Hand, Lichthupten oder fuhren langsamer, um sich durch die offenen Fenster etwas zuzurufen. Einfach umwerfend, wie sie sich freuen, wenn sie einander sehen. Ein junger schwarzer Busfahrer war besonders toll. Als er uns entgegenfuhr, hielt er kurz an, zog eine Riesen-Grimasse und fing ganz laut an zu lachen – zusammen mit unserem alten, weissen Fahrer, der sich fast kugelte. Da saß ich also, breit grinsend.
Später in der Bahn, immer noch grinsend, dachte ich darüber nach, was wohl der Bahnfahrer so macht. Und irgendwie tut er mir Leid, einsam in der Dunkelheit.

*Liebe hat seine Grenze. Die Grenze nennt sich in unserem Fall: Fahrtkosten. HORREND.

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

Comments

  • Februar 20, 2010
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  • Februar 24, 2010
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    Haha Kübra. Schön wieder was zu lesen. Kennst Du die New Yorker Metro? Die würde Dir sicherlich auch sehr gefallen… ein herrliches Fortbewegungsmittel, ich hätte Videos und Bilder davon machen sollen. Aber diese ganze Athmosphäre und das zackige(!) anfahren und abbremsen kann man auch nicht aufnehmen. Empfehlenswert!

  • Februar 25, 2010
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    @Omar: Wow. Hoffe, die Lektüre hat dir Spaß gemacht! :) Hab kürzlich auch auf deinem tollen Blog vorbeigeschaut und mache das jetzt auch mal öfter und hinterlasse vielleicht auch mal Spuren. :)

    @Lukas: Ach Gottchen, in New York war ich vor drei (?) Jahren und kann mich an die Bahn gar nicht mehr erinnern (Mein Papa hatte sich für die meiste Zeit einen Wagen gemietet). Aber ich glaube, ich kann mich daran erinnern, dass es sehr wackelig war. Die haben ja nicht so tolle leise U-Bahnen wie in Hamburg. Ach in Zürich ist die Straßenbahn besonders toll – das vergaß ich zu erwähnen: Die fährt so leise an, dass man jedes Mal das Gefühl hat, ein Star-Trek-Schiffchen würde elegant vor einem landen und die Türen öffnen sich so wunderbar lautlos. Herrlich. :D
    PS: So ein U-Bahn-Bilder-Video-Projekt wär doch mal ne interessante Sache, oder?!

  • Februar 26, 2010
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