GRUSELKINDER
Auf türkischen Hennaabenden sind ganz viele Frauen, damit auch viele Mütter und konsequenterweise auch viele, sehr viele Kinder. Sie rennen umher, machen ab und an etwas kaputt und zerstören die ein oder andere Vase. In den romantischsten, wichtigsten, emotionalsten Momenten des Abends wird die Melancholie und Romantik kurz durch ein “Anneee” eines eben auf das kleine Näschen gefallenen Kindes unterbrochen. Man schielt kurz in Richtung Geräuschkulisse und vertieft sich aber schnell wieder in Emotionalität. Das gehört dazu. Ohne wild umherirrende Kinder, keine authentische türkische Feier.
Als ich, die Braut, den Saal betrat wurde ich also umringt von kleinen Mädchen, die alle bei mir – „der Prinzessin“ wie sie riefen und ahhten während sie mein Kleid berührten – sein wollten. Ein wunderbares Gefühl. Auch ich hatte als kleines Kind die Braut bewundert und wollte sie zumindest einmal gesehen haben, um etwas von ihrem Zauber mitzunehmen. Eine kindlich unschuldige Neugier und Bewunderung. Es gibt aber auch ganz andere Kinder. Gruselige Kinder.
Kleine Mädchen in hübschen Kleidchen kamen zu mir, tuschelten und kicherten mit ihren Freundinnen. Manche setzten sich zur mir, strichen sich durch die Haare, lächelten stolz ins Publikum und gingen dann aber bald wieder spielen. Ein kleines stilles Mädchen mit schwarzen Haaren und rotem Kleid jedoch wich mir den ganzen Abend nicht von der Seite. Nach zwei Stunden kontinuierlicher Dauerverfolgung warf es ihre kurzen schwarzen Haare nach hinten, schaute mit ihren dunklen Augen zu mir nach oben und sagte mit einem aufgesetzten Grinsen: „Kuck! (schauderhafte Sprechpause) ich bin noch immer hier. (Eine noch schauderhaftere Pause) Bei dir!“ Gänsehaut.
Dieses kleine Mädchen mit dem stechenden Blick war merkwürdig. Es verfolgte mich auf Schritt und Tritt, beobachtete all meine Bewegungen und grinste dabei. Ahh! Sah denn niemand anderes dieses Kind? Kann es jemand bitte wegschicken? Ich verzweifelte. Irgendwann zischte ich dem Publikum zulächelnd: „Willst du nicht ein bisschen zu deiner Mutter?“ Bitte Gruselkind, bitte! Es grinste mich Chucky-Mörderpuppen-artig an und flüsterte: „Ich habe keine Mutter.“ Ahh, ich war in einem trashigen R.L. Stine-Gänsehaut-Fearstreet-Jugendbuch- Gruselroman gelandet.
„Mit wem bist du denn dann hier?“, fragte ich – wehleidig. „Mit meiner Großmutter.“ – „Oh, na dann geh doch zu ihr!“ Ich schöpfte Hoffnung. War das ein Licht am Ende des Gruseltunnels? Zu meinem Entsetzen schüttelte es den Kopf. „Nein“, sagte es mit ihrem aufgesetzten Grinsen, „ich bleibe hier, bei dir.“ Es trat noch einen Schritt näher mich heran und klammerte sich an meinem Kleid fest.
Irgendwann – urplötzlich – war das Mädchen verschwunden und ich erleichtert. Ausgelassen feierte ich und genoss den Abend. Während der Henna-Zeremonie als der Raum verdunkelt war und nur durch Kerzenlicht erhellt wurde, spürte ich eine kleine Hand auf meinem Knie. Es war wieder da, das Gruselmädchen. Leise sang es „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne…“
Kinder haben so eine gruselige Art manchmal. So eine lustige, aber vor allem gruselige Art, manchmal.
Bildcredit geht an die wunderbare Fotografin meines Henna-Abends “Sekire”.
Eva
Oj Kübra! Ich hab nun wirklich nicht weit von dir weg gesessen, aber das Mädchen ist mir nicht aufgefallen – hättest du uns doch ein Zeichen gegeben! :D
So habe ich einen durchweg positiven Eindruck von all den Kindern auf türkischen Feiern bekommen. Ich fand es toll, dass sie ganz selbstverständlich dabei waren. Bei “deutschen” Junggesellenabschieden und Polterabenden ist das längst nicht so. Schade!
andreask9
(vielleicht war dieses Kind ja gar nicht da, Kübra..)
Integrationsbock
Allah mesut ve bahtiyar etsin.
totalversagen
Oh Gott! Das arme Kind…
DejaVú
hahahahaha :-) Ich konnte in meinem Kopf gerade so ein Kino machen und mir das so gut vorstellen :D Kocumm Kübraa :D
Meltem
Die beste Stelle:
“Leise sang es: Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne.”
Irgendwie total witzig aber auch skurril :-)
Beyza
Ich krieg mich nicht mehr… Du arme :)