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Kübra Gümüşay

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Thomas Rohde
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WIR ERINNERN UNS

Ich wache auf. Der LKW rüttelt nicht mehr. “Komm wir machen eine Pause”, sagt mein Mann und steigt zusammen mit dem Fahrer aus dem LKW. Mir ist noch ein bisschen wummrig. Innerhalb von sieben Stunden hatten wir heute unsere Berliner Wohnung leer geräumt und im LKW verstaut, um unser Hab und Gut für die nächsten drei Monate in Hamburg zu lagern. Ich bin erschöpft. Mein Mann und der Fahrer sind schon in der Tankstelle, um Kaffe zu kaufen. Langsam torkele ich hinterher.

Plötzlich bin ich hellwach. Die Tankstelle kenne ich doch. Hier müsste ein Shampoo-Regal stehen, da hinten die Kasse und… ja, er steht dort. Wie vor knapp einem Jahr steht der füllige Mann mit lichtem Haar und Brille auch heute Nacht an der Kasse.

Ob er sich an mich erinnert? Ob er sich daran erinnert, wie er meine Freundin Maya an der Kasse zusammenfauchte und über ihr Kopftuch schimpfte? Und wie wir am Shampoo-Regal standen und feststellten, dass Maya Recht hatte? Dass das Shampoo tatsächlich nur 3.50 kostete, statt 4.50 wie er sie zahlen lassen wollte? Dass er daraufhin alle Shampoos aus dem Regal nahm und meinte, sie stünden nicht zum Verkauf?

Ja, es dauert ein bisschen, aber er erinnert sich. Wir erinnern uns beide. Er hinter den Wrigleys-Kaugummis an der Kasse, ich davor, neben den Kinderriegeln.

Und jetzt?, frage ich mich. Warum habe ich ihn gefragt, ob er sich erinnert? Ich ertappe mich dabei, wie ich mir sehnlichst wünsche, dass er sich entschuldigt, ja sogar, dass er Reue zeigt. Ich will, dass es ihm Leid tut und dass alles wieder gut ist. Ich will, dass er sich geändert hat. Aber er hat sich nicht geändert, stelle ich fest. Noch immer kuckt er mich abfällig an. Noch immer glaubt er sich im Recht. Wut steigt in mir hoch. Ich möchte ihm all die Sätze sagen, die mir einfielen als Maya und ich damals wieder im Auto saßen und uns über ihn ärgerten. Jetzt stehe ich vor ihm und mir fällt wieder keiner dieser Sätze ein. Was mache ich hier, bitteschön? Ich will, dass er sich jetzt ändert. Vor mir, an Ort und Stelle.

Dann schäme ich mich. Was fällt mir bloß ein?

In der Kolumne “Der Tuchhasser von der Tankstelle” schrieb ich am 21. Juli 2010 von diesem Erlebnis. Hier zum Nachlesen. Außerdem bei dieser Gelegenheit: Herzlichsten Dank an meine wunderbaren Berliner Umzugshelfer, ihr seid Engel!

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

Comments

  • Juni 3, 2011
    reply

    Solche leute haben eigentlich mit sich selbst Probleme.

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