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TARIK AUS DEM NETZ

Betül hat ihren Mann im Internet kennengelernt. Das ist nicht ungewöhnlich: Immer mehr junge, religiöse Muslime in Deutschland nutzen das Internet zur Partnersuche.

Betül* und Tarik* sind seit über einem Jahr glücklich verheiratet. Als sich das junge Pärchen vor zwei Jahren auf einer islamischen Veranstaltung begegnete, war es Liebe auf den ersten Blick. Alles passte, ihre Familien verstanden sich und sie heirateten.

Das ist jedenfalls die offizielle Version für die Eltern. Betül und Tarik haben aber ein kleines Geheimnis: Sie haben ihrem Schicksal nachgeholfen, sie haben sich im Internet kennen gelernt.

Was in England oder den USA längst zum „muslim lifestyle“ gehört, entsteht in Deutschland erst noch. Auf Online-Partnerseiten wie Muslima.com, Qantara.com oder Nasib.com suchen junge Muslime nach potentiellen Ehepartnern. Andere besuchen zusammen mit den Eltern muslimische Speed-Datings (die heißen dann aber nicht so, sondern: „matrimonial banquet“, denn „dating“ ist ein unliebsames Wort) oder schalten Heiratsannoncen in muslimischen Magazinen. Der muslimische Heiratsmarkt boomt.

2009 wird eine weitere Partnerbörse online gehen: Halfourdeen.com. Entwickelt von Ali Ardekani – besser bekannt als „Baba Ali“ – dem wohl beliebtesten Video-Blogger unter jungen Muslimen. Der 33-jährige Amerikaner persischer Herkunft gehört mit seinen Ask-Baba-Ali Ratschlägen für junge Muslime zur YouTube-Prominenz. Besonders begehrt waren seine Video-Ratschläge zu Heirat und Partnersuche.

Zahlreiche islamische Gelehrte sehen kein Problem in der Online-Partnersuche – aber nur solange sie im religiösen Rahmen läuft. So sollten die Partner beispielsweise ernste Absichten haben, also wirklich Heiraten wollen, und die Familie in die Partnerwahl einbeziehen.

„Als junger und praktizierender Muslim ist es nicht einfach einen Partner zu finden“, sagt Betül. Das Dilemma lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen. Erstens: Die Auswahl an potentiellen Partnern ist gering. Zweitens: Es gibt nur wenige Gelegenheiten einen Partner überhaupt kennen zu lernen. Klassischerweise begegnet man sich an der Uni, auf einer Veranstaltung, oder die Eltern machen Vorschläge und stellen jemanden vor. Discos, gemischte Parties und andere Orte, an denen sich Nicht-Muslime kennen lernen, sind für einen gläubigen Muslim tabu. Außerdem untersagt: Ausprobieren, Küssen, Flirten.

So schießen in Deutschland Partnerbörsen für Muslime aus dem Boden. Neben Muslim-Heirat.de oder Islamisches-Heiratsinstitut.de gibt es das modern gestaltete Muslimlife.eu. „Der muslimische Heiratsmarkt in Deutschland ist aber noch lange nicht gedeckt“, sagt Kadir Yücel (keine Verwandschaft mit der Autorin dieses Textes, Anm. d. Red.), der 29-jährige Geschäftsführer von Muslimlife. 2007 entwickelte er zusammen mit zwei Freunden die deutsch-englisch-türkische Partnerbörse und war überrascht von dem Andrang. Bis zu 3.000 Klicks registrieren sie am Tag. Bald soll die Plattform um eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft erweitert werden.

Leila* aus Frankfurt war bis vor kurzem noch Mitglied in einer muslimischen Partnerbörse. Die 29-jährige Politik-Studentin und Mutter eines sechsjährigen Sohnes ist seit drei Jahren geschieden und war auf der Suche nach einem neuen Partner. „Die, die bei den Eltern anklopften waren nicht die Richtigen für mich“, sagt sie. Neben den klassischen Wegen war daher auch das Internet eine Option für Leila. Doch Ali*, ihren Bald-Ehemann, lernte sie – wider Erwarten – nicht in einer Partnerbörse kennen, sondern auf einem bekannten Online-Kontaktnetzwerk.

Durch einen lustigen Kommentar in einer Gruppe erregte der 30-jährige Elektroingenieur ihre Aufmerksamkeit. Wie Leila lebt auch Ali geschieden. Sie schrieb ihn an, er schrieb zurück, es ging hin und her und schon bald telefonierten sie. Die Eltern waren von Anfang an eingeweiht. „Uns ist es sehr wichtig, dass unsere Eltern bei der Partnerwahl mitentscheiden und uns ihren Segen geben“, sagt Leila. Probleme damit, dass ihre Tochter ihren Partner im Internet kennen gelernt hat, haben ihre Eltern nicht.

„Meine Eltern sind aber auch nicht repräsentativ für die muslimischen Eltern in Deutschland. Sie sind sehr religiös, aber gleichzeitig auch sehr offen“, sagt sie. Die oftmals kritische Einstellung von Eltern gegenüber dem Internet ist aber „nicht allein ein muslimisches Phänomen, sondern hängt mit der fehlenden Erfahrung mit dem Medium Internet zusammen“, erklärt Ali, Leilas zukünftiger Ehemann.

Das war auch der Grund, warum Betül und Tarik ein Geheimnis haben und ihren Eltern nicht die volle Wahrheit über ihr Kennenlernen sagten.

„Sie hätten es vermutlich nicht verstanden“, erklärt Betül. Genau wie Leila hat auch die 23-jährige Betül ihren Partner, den 27-jährigen Tarik, im Internet kennengelernt. Das war vor zwei Jahren und damals wollte Betül eigentlich weder heiraten noch jemanden kennen lernen. Entsprechend überrascht war nicht nur sie von sich selbst, sondern auch ihre Mutter – ihr verkündete Betül damals: „Mama, ich habe jemanden kennen gelernt. Er und seine Familie kommen uns nächste Woche besuchen.“

Wie sich die Partnersuche in Zukunft entwickeln wird? „Es wird sicherlich mehr und mehr Pärchen geben, die sich im Internet kennen gelernt haben werden“, sagt Leila. Auch Betül glaubt daran: „Es wird zur Normalität.“

* Namen von der Redaktion geändert.

12. Januar 2008, veröffentlicht im zuender, dem Netzmagazin der ZEIT – zuender.zeit.de
> Ihr dürft gerne (=sollt) auf der zuender-Seite kommentieren und viel herumklicken. Eine tolle Seite nämlich!

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

Comments

  • Januar 12, 2009
    reply

    geschehen ;) wirklich schöner artikel. musste auch gleich was längeres drunter packen.
    achja nur ein punkt. im artikel selbst wird darauf hingewiesen das du nicht mit dem herrn yücel von der partnerbörse verwandt bist. aber unter seinem foto beim zuender steht dann sein name folgendermaßen “Kadir Yüdel, 29, betreibt die Partnerbörse Muslimlife.eu”… hat sich nen vertipper eingeschlichen?
    liebe grüße… und sorry, ich hab in hamburg nicht geschafft mich zu melden… viel zu viel zu tun.
    liebe grüße

  • Januar 14, 2009
    reply

    Anonymous

    was sind das für pfeifen, die ihre partner nicht auf normalem weg kennenlernen können und zu diesem natürlichsten etwas der welt die hilfe irgendwelcher vermittler brauchen?!?!?!?

    gibts da keine fatwa zu?

  • Januar 14, 2009
    reply

    @lukas: Wow, du kennst dich ja ganz schön gut aus! Ja, du hast recht. Viele haben Probleme damit, wenn sich ein Paar im Internet kennelernt – unabhängig von der Religion.

    @anonym:
    Zu “dem natürlichsten Etwas der Welt” braucht man in den seltensten Fällen keinen Vermittler. Die Paare in meinem Umfeld, die sich ohne Vermittler kennengelernt haben, haben sich “unislamisch” kennengelernt (=Dates, “Zusammensein” etc.)
    Also ist es das natürlichste der Welt einen Vermittler einzuschalten für “das natürlichste Etwas der Welt.” Das Internet ist dabei aus religiöser Sicht erlaubt, sofern der islamische Rahmen eingehalten wird. Bevor ich den Artikel geschrieben habe, habe ich viel recherchiert und verschiedene Quellen bezogen. Das Internet ist wie jedes andere Medium auch: Vielseitig. Man kann sich weiterbilden und im guten Sinne nutzen oder sich berieseln lassen, verblöden und in schlechtem Sinne nutzen. Hängt alles vom Nutzer ab.

    Außerdem verbitte ich mir den Ton, in dem du schreibst. Was “normal” ist, ist betrachterabhängig. Und Jemanden als “Pfeife” zu beschreiben ist unislamisch.

    Liebe Grüße,
    Kübra

  • Januar 15, 2009
    reply

    Auf irgendeine Weise sind Dates, “Zusammensein”, Freunde von Freunden, Arbeit oder Studium und wo man sonst noch so seinen Partner kennenlernt auch “Vermittler”… oder nicht?

  • April 8, 2009
    reply

    Interessanter Artikel.
    Mit bestimmten “Internetpartnerbörsen” sollte man aufpassen und kritisch an sie rangehen…viele sind garnicht so islamisch wie sie klingen.

  • April 15, 2009
    reply

    Das stimmt natürlich. Und selbst wenn einige Anbieter islamisch gut abgesichert sind, liegt es immernoch beim Nutzer, ob er das Angebot auch islamisch nutzt. Im Endeffekt kommt es auf die Niyah an.

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