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Kübra Gümüşay

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Thomas Rohde
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MODE. WENIGER IST MEHR, QUALITÄT STATT QUANTITÄT UND ANDERE FLOSKELN, DIE EINFACH MAL STIMMEN.

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Eigentlich wollte ich schon vor Ewigkeiten einen Modeblog starten. So einen ethisch-politischen Modeblog, der sich kritisch und beizeiten humorvoll mit der Modeszene auseinander setzt, Ästhetik und Kunst diskutiert – gleichzeitig aber auch einfach schön anzusehen ist. Außerdem wollte ich muslimische Mode vorstellen, Frauenbilder dekonstruieren und schreiben, dass Mode nur ein Medium ist – so wie Internet oder Messer. Gut eingesetzt nützlich oder selbstverwirklichend, schlecht eingesetzt zerstörerisch.

Nun gehe ich zudem selten Klamotteneinkaufen. Einerseits deshalb, weil mir die (medial unterstützte) Vorstellung des in Einkaufszentren und vor Schaufenstern massiv Zeit verschwendenden Menschen missfällt, und andererseits, weil ich meistens ohnehin in dem Grossteil der Läden sofort wieder den Laden verlassen und das Weite suchen muss.

Das liegt an dem eigentlichen Grund dieses Blogeintrags.

Mir ist Qualität wichtig. Nicht die Marke, der Preis oder das Label. Sondern die Stoffqualität und –mischung. Wenn ich mir ein Abendkleid kaufen will, dann kann ich vielleicht schnell fündig werden und ein wunderschönes Seidenkleid entdecken – bis ich dann enttäuscht feststellen muss: Der Futter ist aus Polyester/Acryl/…. Außen hui, Innen pfui: Aber es geht doch gerade um das Innere.

In synthetischen Stoffen wie Polyester, Acryl und Co fühle ich mich wie in einer teuren Plastiktüte. Das Gefühl hatte ich insbesondere im letzten Jahr bei der Suche nach einem Hochzeitskleid. Sehr viel Tütü, Tata, hier aufgepolstert, da aufgebauscht und Glitzerblitzersteinchen überall. Man schaute mich entgeistert an, als ich nach schlichten Brautkleidern fragte. „Du heiratest doch nur einmal!“, empörte man sich. Leider musste ich feststellen, dass es bei vielen Hochzeiten weniger um das Zelebrieren der Liebe und das Zusammenkommen mit den geliebten Menschen geht, als um das Präsentieren und Schaustellen (Protzen ist ein hartes, aber wahres Wort). So kam es, dass meist alle Kleider reich geschmückt, aber aus synthetischen Stoffen bestanden. Ich will aber Stoffe nicht tragen. Ich will Kleidung nicht tragen. Ich will, dass Kleidung und Stoffe ihre Aufgabe tun: Mich umhüllen und kleiden. Oder mir zumindest nicht schaden.

Denn dass synthetische Stoffe Hautkrankheiten erzeugen, sollte kein Geheimnis mehr sein. Hinzu kommt aber der stechende Geruch, den sie erzeugen, weil sie den menschlichen Schweiß nicht aufsaugen, sondern gerade zu anfeuern (da häufig nur schlecht luftdurchlässig).

So will ich lieber wenige, aber hochwertige Kleidungsstücke haben statt viele, aber schlechte, die ich nach zwei Mal waschen ohnehin nicht mehr anziehen kann oder mich krank machen. Ich weiß, das sagen alle Mütter. Aber sie haben da eben auch Recht.
Das Problem ist nämlich, dass Produkte durch synthetische Stoffe täuschend echt wie teure Designerkleidung aus Hochglanzmagazinen aussehen können. Und wir leben nun mal in einer Konsumgesellschaft, die darauf abzielt, reich zu sein oder zumindest reich auszusehen und Reiche zu imitieren. Alles zu haben, mehr zu haben und noch dazu als erstes. Kleidung ist Status. Kleider machen Leute, wir erinnern uns an den Hauptmann von Köpenick.

Warum aber soll gesunde Kleidung nur Reichen vorbehalten sein? Warum zwingt unsere Gesellschaft Menschen, die sich diesen Lebensstil nicht leisten können, dazu nach krankmachender Imitation zu greifen? Warum sind die Leidtragenden unseres Konsumwahns wieder jene, die sich dagegen nicht wehren können (in einem intellektuellen und wirtschaftlichen Sinne)?

Deshalb gehe ich so ungern Einkaufen. Nur ungern mag ich das ansehen.

Mir behagt auch nicht der Gedanke, Kleidung zu tragen, weil irgendwelche Menschen das für modisch erklärt haben oder mir damit ein bestimmter Status zugesprochen wird. Ich kleide mich gerne so wie ich will. Darüber hinaus ist Kleidung für mich Kunst. Punkt. Selbstverständlich bin ich in meinem ästhetischen Bewusstsein von eben jenen Faktoren beeinflusst, die ich hier problematisierte. Das weiß ich. Genauso wie wir auch sonst in unserem Leben und Denken von veralteten Denkmustern, Konventionen und konstruierten Bedürfnissen gelenkt und beeinflusst werden. Das ist ein ewiger Kampf im eigenen Kopf und Herzen.

Übrigens: In den drei Monaten, die mein Mann und ich in Kairo lebten, hat mich eine Sache besonders glücklich gemacht: Dass wir nur wenig hatten. Wir hatten zwei Töpfe, eine Pfanne, zwei flache Teller, zwei tiefe und zwei kleine. Drei Gläser und ein bisschen (Koch-)Besteck. Das war’s in der Küche. Und ich war glücklich, ich brauchte nicht mehr. Das war eine der wenigen Male in meinem Leben, wo Eigentum mein Eigentum war und ich nicht das Eigentum des Eigentums.

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

Comments

  • September 28, 2011
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    Anonymous

    Danke für diesen wunderbaren Text, der mir so richtig aus der Seele spricht. Genauso geht es mir auch oft beim Einkaufen. Und danke für Deinen tollen Blog, der mich immer wieder zum Nachdenken inspiriert. :-)
    Herzliche Grüße
    Michaela

  • September 28, 2011
    reply

    Anonymous

    ein hinweis. avocado.de oder fairgehandelte grüne mode. meistens aus biobaumwolle mit dem versuch nicht ausbeuterisch zu sein. Und garnicht mal so teuer. es gibt auch reale shops aber ich kaufe gern im internet.

    aber mir ist es eigentlich nur wichtig, dass sich der stoff gut anfühlt. ich sollte das ändern.

  • September 29, 2011
    reply

    Hallo Kübra

    Zwei Dinge möchte ich anmerken.
    Es ist verständlich, dass Du nicht einkaufen magst und Dich dem Ganzen versuchst zu entziehen. Damit bist Du nicht allein.
    Diese eine vorurteilshafte Bemerkung “vorm Schaufenstern massiv Zeit verschwendenden Menschen missfällt” möchte ich gerne aufgreifen.
    Während im Beitrag Deine Meinung so nett und farbig präsentiert wird, wertest Du in diesem Halbsatz pauschal über andere Menschen. Das ist nicht zielsicher, das ist eher abwatschend und zeigt eine Einstellung zum Menschen, die negativ ist. Misanthropisch ist das Stichwort dafür. Ich hoffe mal, dass dies gar keine Absicht ist, sondern ein Flapsus.

    Heiraten als Zusammenkommen Liebender zu verstehen ist der Sieg der Romantik über die Sicht auf die wahren Lebensbedingungen, eine Verschleierung.
    Zu gerne sollen wir nämlich nicht erkennen, was wir da tun.
    Wir gehen eine Wirtschaftsbeziehung ein. Das machen wir nur, weil wir ihn/sie gerne haben und uns das mit ihm/ihr vorstellen können. Was dabei immer unter den Tisch fällt ist, das wir als Frauen den Betrieb leiten und gestalten. Und dementsprechend Rechte daran haben.
    Frauen aus nichteuropäischen Ländern sehen das viel klarer und dieser Satz: Man heiratet nur einmal deutet auf diesen Zusammenhang hin: Gehe stolz und gut ausstaffiert in diesen Wirtschaftsbetrieb und erhalte Deine Rechte.
    Ich weiß nicht woher dieses verträumte Herangehen immer kommt. Vielleicht ist es ein Schutzmodus? Weil sonst keine Ehen geschlossen würden?

    Viel Erfolg mit Deinem Blog

  • September 29, 2011
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    Wunderbarer Beitrag, der mich nachdenklich gemacht hat.

  • September 30, 2011
    reply

    Anonymous

    Die Turbanbombe ist ein Modetrend, der den Menschen sehr authentisch herausfordert.

    hxxp://www.youtube.com/watch?v=-KzulvbUwbc

  • September 30, 2011
    reply

    Liebe Wedernoch,

    du schreibst: “Diese eine vorurteilshafte Bemerkung “vorm Schaufenstern massiv Zeit verschwendenden Menschen missfällt” möchte ich gerne aufgreifen.”

    Du hast recht, das habe ich missverständlich ausgedrückt, ich habe das nun versucht umzuformulieren:

    “Einerseits deshalb, weil mir die (medial unterstützte) Vorstellung des in Einkaufszentren und vor Schaufenstern massiv Zeit verschwendenden Menschen missfällt”

    Darin geht es um das Bild, das in den Medien produziert wird. Dass Menschen viele Stunden ihres Lebens in Einkaufszentren und vor Schaufenstern verbringen – in der Nähe all der Dinge, die sich nicht haben können. So habe ich beim Einkaufen immer dieses Bild im Kopf und mag mir das deshalb nicht ansehen – unabhängig davon, ob die Einkaufenden so sind oder nicht. Schliesslich bin ich ja auch da und könnte so sein.
    Dieser Punkt hat also mehr mit mir zu tun, als den tatsächlich Einkaufenden. Sorry, das war ungenau formuliert von mir.

    Zu dem 2. Punkt – wir reden da ein bisschen aneinander vorbei. Über die Heirat an sich können wir geteilter Meinung sein, mein Kommentar bezog sich aber in erster Linie auf den HochzeitsTAG und das grosse Geld, das dabei verschlungen wird und Co.
    Mit “Du heiratest nur einmal” meinte die Verkäuferin, ich solle mich an diesem Tag deshalb besonders aufgebauscht und glitzernd anziehen.

    Danke, wünsche dir auch viel Erfolg! :)

    Kübra

  • Oktober 4, 2011
    reply

    Kommentar meiner Frankfurter Oma über eine allzu prächtig gewandete Dame: “Guck mal, da geht ein Kleid spazieren!”

    Daran erinnerte ich mich, als ich Deinen obenstehenden Text las.

    Liebe Grüße

    Tina

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