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Thomas Rohde
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DRUCK

Ich bin ein Internetkind. Seitdem ich im Ausland lebe, spielt auch das Telefon immer weniger eine Rolle. Selten noch telefoniere ich einfach so mit Freunden und verquatsche mich bis spät in die Nacht, wie ich das früher tat. Heute verabrede ich mich zum Skype-Gespräch. Und immer muss einer schon nach einer halben Stunde wieder weg, arbeiten, zur nächsten Konferenz oder wir geben beim zehnten “Hörst du mich?” auf.

Ich chatte auch nicht mehr nächtelang wie damals in meiner Jugend. Die Chatprogramme auf dem Handy machen mich müde, ich mag nicht auf dem Handy tippen. Mit vielen Freunden, die ich sehr liebe, kommuniziere ich deshalb gar nicht mehr (Verzeiht mir!). Ich will ihnen keine kurzen, schnellen E-Mails schreiben. Ich will ihnen Zeit, Mühe und Liebe widmen. Deshalb warte ich bis wir uns wiedersehen, um ihnen meine volle Aufmerksamkeit zu schenken, um sie mit Geschichten, Gedanken und Erlebnissen zu überhäufen, um Gefühle zu transportieren.

Dann gibt es Freunde, die ich vermutlich nie wieder sehen werde. Es sind Freundschaften, die rein zufällig entstanden sind. Man verbringt ein langes Wochenende zusammen, unterhält sich auf Zugreisen, Autofahrten, im Halbschlaf im Wohnzimmer im Versuch die kurze gemeinsame Zeit bis in die letzten Sekunden auszukosten. Und dann kommt die Stille.

Langsam schreiben wir uns dann E-Mails, lange und ausführliche. Wir kommunizieren selten, die Antworten brauchen manchmal Wochen, aber sie kommen. Sie sind mit Bedacht geschrieben, wir gehen aufeinander ein. Hören dem Ton der E-Mail zu und entdecken die Stimmungen dahinter. Manchmal fließt die E-Mail und weg ist sie. Manchmal feilen wir an jedem Satz und lassen sie unfertig als “Entwurf” speichern, um sie erst Wochen später fortzuführen. Es sind schöne E-Mails, wertvolle. Solche, die in den Massen an “FYI”, “Kannst du kurz mal?”, Weiterleitungen, Protokollen, Anfragen, Newslettern und Tausenden an Mikro-E-Mails verloren gehen.

Diese E-Mails sind eigentlich Briefe. Werke, die man ausdrucken müsste, um sie, wenn es einem mal schlecht geht, in die Hand zu nehmen, zu fühlen. Das Papier salzig nässen, unterstreichen, an die Brust drücken, in das innere Seitenfach der Handtasche klemmen, im Klappordner im Kalender verstecken, als Lesezeichen in das Buch legen, das man gerade liest, oder aufhängen an der Pinnwand in der Küche. Werke, die uns im Alltag durch ihre Präsenz, ihr simples Dasein überraschen, erinnern und beglücken können. Man müsste sie in einem Ordner verstauen mit Herbstblättern, den Muscheln vom letzten Strandurlaub, der AirBerlin-Herz-Schokolade, die einem der Liebste mal mitbrachte, das Busticket, mit dem man die Stadt besichtigte, und die Kaugummipackung, die man während einer intensiven Unterhaltung sorgfältig plattgewalzt hat. Dazwischen müsste so ein Werk liegen.

Heute habe ich so eine E-Mail erhalten. Eine E-Mail, die ich immer wieder lesen möchte. Die aus der Person, die auf der anderen Seite des Atlantiks ein vollkommen fremdes Leben führt, mit der ich kaum mehr gemeinsam habe, als unsere wenigen Tage zusammen, eine gute Freundin macht.

Eine E-Mail, die Telefonate, SMS, Chats und verpasste Skype-Gespräche ersetzt.

Manche E-Mails sind Briefe. Und Briefe gehören gedruckt, gedrückt, geschmückt.

journalist, columnist and author of this blog. a turkish-german muslim juggling politics, feminism, cyberculture and life between germany, istanbul, oxford & the world.

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