DAMALS
Es ist Sonntagnachmittag in Hamburg. Meine Großfamilie hat sich bei meinen Großeltern versammelt, um sie zu verabschieden. Sie werden - wie jedes Jahr - ein halbes Jahr in der Türkei verbringen. Jedes Mal, wenn sie gehen, fühle ich mich durstig nach ihren Geschichten, ihrer Vergangenheit. Jedes Mal ergreift mich die Sorge, es könnte die letzte Gelegenheit sein. Ich spüre den Drang, sie festzuhalten, als Geschichten. Bevor sie vergessen werden könnten - so als hätte es
“TAKTLOS” – REAKTIONEN ZU ANNE WILLS THEMENWAHL AM 20. JAHRESTAG VON SOLINGEN
Die Diskussion heute auf Twitter zu Anne Wills Sendung "Allahs Krieger im Westen – wie gefährlich sind radikale Muslime", die ausgerechnet am 20. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Solingen stattfindet, habe ich auf Storify zusammengefasst: [View the story ""Taktlos" - Reaktionen zu Anne Wills Themensetzung am 20. Jahrestag von Solingen" on Storify]
ZWANZIG JAHRE
20 Jahre ist der Brandanschlag in Solingen her. Doch es ist, als brenne das Haus von Mevlüde Genc noch heute lichterloh. So präsent, so wichtig und aktuell erscheint das Feuer. Mögen Hülya Genç, Gülistan Öztürk, Hatice Genç, Gürsün İnce und Saime Genç in Frieden ruhen. Wir müssen zusammen leben wie Geschwister. Wir sind alle Menschen, die von Gott erschaffen wurden. Wir haben den gleichen Gott. - Mevlüde Genc Heute findet in Solingen die Premiere des Dokumentarfilms 93/13 von Mirza Odabasi statt.
DIE DEUTSCHEN HAUSTÜRKEN
Necla Kelek und Thilo Sarrazin am 30. August 2010 auf der Pressekonferenz anlässlich Sarrazins Buchveröffentlichung "Deutschland schafft sich ab" in Berlin (Bildcredit Taz)
Auch als Minderheit hat man Privilegien. Beispielsweise dann, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Dort haben wir eine Deutungs- und Meinungshoheit über unsere Leute, unsere Minderheit. Das ist unsere Geldmaschine. Unsere Macht.
Ich könnte jeden Schwachsinn erzählen, ich würde immer irgendwo Menschen finden, die ihn bereitwillig glauben. Denn wenn ich es sage, „die Türkin“, „die Muslimin“, dann wird es schon stimmen. Ich muss nichts beweisen. Das fängt an bei ironischen Märchen wie: „Na klar duschen wir mit dem Kopftuch“ (schon passiert). Und hört tatsächlich nirgendwo auf. Er geht so weit, wie „der Türke“ oder „die Türkin“ ihn gerne treiben mag.
„Die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren“, sagte Necla Kelek im ZDF und fuhr fort: „Besonders der Mann nicht, und der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heißt es, und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier […].“
Tja, wenn selbst „die Türkin“ (und wenn sie Lust hat, auch „die Muslimin“) Kelek erzählt, dass muslimische Männer ihre Sexualität an Tieren entleeren, dann muss es halt stimmen. Und ganz egal, was die UNO kürzlich dazu sagte – Thilo Sarrazin kann kein Rassist sein, weil „die Türkin“ Kelek doch eifrig nickte, bei seiner Buchveröffentlichung mit am Tisch saß. Wenn selbst „die Türkin“ ihm zustimmt, dann hat er sicher recht.
ÜBER DEN BEGRIFF “HAUSTÜRKEN”
Mit "Die imaginären Haustürken" hat Anatol Stefanowitsch einen klugen und kritischen Kommentar zu meiner letzten Kolumne in der Taz "Die deutschen Haustürken" geschrieben. Deshalb möchte hier auf meinem Blog darauf eingehen. In seinem Kommentar kritisiert er die Verwendung des Begriffs "Haustürken."
Tatsächlich aber dürften wenigstens Zweifel an der Existenz einer großen Zahl von „Onkel Toms“ angebracht sein. (Quelle: "Die imaginären Haustürken")
Auch Haussklaven waren Sklaven, die ausgebeutet und missbraucht und ohne Rücksicht auf Familienbeziehungen ge- und verkauft wurden. Die Idee, dass sie das nicht durchschaut und sich stattdessen in großer Zahl mit ihren Peinigern solidarisiert haben, dürfte eher (weißen) medialen Darstellungen als der Wirklichkeit entspringen. Zumindest verbietet es sich, die Narrative unreflektiert zu übernehmen und auf andere Zusammenhänge anzuwenden, wie Gümüsay das tut. Spätestens mit dieser Übertragung akzeptiert man den Wahrheitsgehalt, und damit die rassistische Perspektive, dieser Narrative. (Quelle: "Die imaginären Haustürken")
So habe ich Malcolm X nicht verstanden.