ES WAR SCHÖN MIT DIR, LIEBE KOLUMNE!
Und dann stand es fest. Ich würde fortan eine Kolumne in der taz führen. Panik brach in mir aus. Eine Kolumne in der taz, einer deutschen, bundesweit erscheinenden Tageszeitung – und die sollte ausgerechnet ich schreiben, eine junge Deutschtürkin, muslimisch und noch dazu mit Kopftuch. Ja, klar. „Schreib von dir, erzähl aus deinem Leben, deine Gedanken“, sagte der Ressortleiter. Ich hörte nur: „Schreib von der muslimischen Community, erzähl aus deren Leben, deren Gedanken.“ Wie eine kleine
DAMALS
Es ist Sonntagnachmittag in Hamburg. Meine Großfamilie hat sich bei meinen Großeltern versammelt, um sie zu verabschieden. Sie werden - wie jedes Jahr - ein halbes Jahr in der Türkei verbringen. Jedes Mal, wenn sie gehen, fühle ich mich durstig nach ihren Geschichten, ihrer Vergangenheit. Jedes Mal ergreift mich die Sorge, es könnte die letzte Gelegenheit sein. Ich spüre den Drang, sie festzuhalten, als Geschichten. Bevor sie vergessen werden könnten - so als hätte es
DIE DEUTSCHEN HAUSTÜRKEN
Necla Kelek und Thilo Sarrazin am 30. August 2010 auf der Pressekonferenz anlässlich Sarrazins Buchveröffentlichung "Deutschland schafft sich ab" in Berlin (Bildcredit Taz)
Auch als Minderheit hat man Privilegien. Beispielsweise dann, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Dort haben wir eine Deutungs- und Meinungshoheit über unsere Leute, unsere Minderheit. Das ist unsere Geldmaschine. Unsere Macht.
Ich könnte jeden Schwachsinn erzählen, ich würde immer irgendwo Menschen finden, die ihn bereitwillig glauben. Denn wenn ich es sage, „die Türkin“, „die Muslimin“, dann wird es schon stimmen. Ich muss nichts beweisen. Das fängt an bei ironischen Märchen wie: „Na klar duschen wir mit dem Kopftuch“ (schon passiert). Und hört tatsächlich nirgendwo auf. Er geht so weit, wie „der Türke“ oder „die Türkin“ ihn gerne treiben mag.
„Die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren“, sagte Necla Kelek im ZDF und fuhr fort: „Besonders der Mann nicht, und der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heißt es, und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier […].“
Tja, wenn selbst „die Türkin“ (und wenn sie Lust hat, auch „die Muslimin“) Kelek erzählt, dass muslimische Männer ihre Sexualität an Tieren entleeren, dann muss es halt stimmen. Und ganz egal, was die UNO kürzlich dazu sagte – Thilo Sarrazin kann kein Rassist sein, weil „die Türkin“ Kelek doch eifrig nickte, bei seiner Buchveröffentlichung mit am Tisch saß. Wenn selbst „die Türkin“ ihm zustimmt, dann hat er sicher recht.
ÜBER DEN BEGRIFF “HAUSTÜRKEN”
Mit "Die imaginären Haustürken" hat Anatol Stefanowitsch einen klugen und kritischen Kommentar zu meiner letzten Kolumne in der Taz "Die deutschen Haustürken" geschrieben. Deshalb möchte hier auf meinem Blog darauf eingehen. In seinem Kommentar kritisiert er die Verwendung des Begriffs "Haustürken."
Tatsächlich aber dürften wenigstens Zweifel an der Existenz einer großen Zahl von „Onkel Toms“ angebracht sein. (Quelle: "Die imaginären Haustürken")
Auch Haussklaven waren Sklaven, die ausgebeutet und missbraucht und ohne Rücksicht auf Familienbeziehungen ge- und verkauft wurden. Die Idee, dass sie das nicht durchschaut und sich stattdessen in großer Zahl mit ihren Peinigern solidarisiert haben, dürfte eher (weißen) medialen Darstellungen als der Wirklichkeit entspringen. Zumindest verbietet es sich, die Narrative unreflektiert zu übernehmen und auf andere Zusammenhänge anzuwenden, wie Gümüsay das tut. Spätestens mit dieser Übertragung akzeptiert man den Wahrheitsgehalt, und damit die rassistische Perspektive, dieser Narrative. (Quelle: "Die imaginären Haustürken")
So habe ich Malcolm X nicht verstanden.WENN DIE KAMERAS AUS SIND…
RASSISTIN? ICH?
DIE DIGITALE TÜRKISCHE FAMILIE – WHAT’S UP?
Lampenreflektion auf dem iPhone |
Mit meinen beiden kleinen Fingern versuche ich hastig, mein Handy zu bedienen. Der Rest meiner Hand ist schmutzig und fettig. Ich stehe in der Küche und verzweifle gerade mal wieder an einem türkischen Teiggericht. Über Skype rufe ich meine Oma in Deutschland an. „Oma, ich kriege die Börek nicht hin!“ Eigentlich kann ich ja backen, aber die Hefe! Die Hefe will nicht, wie ich will. In England gibt es eben nicht so tolle Feuchthefe wie in Deutschland, rede ich mir ein. Und frage verzweifelt: „Ich kann das doch, ne, Oma?“
WUT VERLASSEN
Irgendwann habe ich beschlossen, nicht mehr wütend zu sein. Nicht mehr wütend über die bis in den Himmel stinkenden Ungerechtigkeiten von Menschen und auf ihre Macht. Denn die Wut ändert nichts an der Ungerechtigkeit, aber mich. Sie macht den Wütenden kaputt, verbittert. So will ich nicht werden. Und dann ist es passiert: Die Wut war weg. Ich kann nicht mehr genau sagen, wann das geschehen ist. Die Wut ist langsam und vorsichtig gegangen und hat eine
MANCHE GEFÜHLE LEBEN NUR IN BESTIMMTEN SPRACHEN
Plötzlich weinte ich. Es war der Festtagsmorgen, an Bayram. Wir saßen in Oxford am Frühstückstisch, als im Radio eine Sendung über das Bayramfest in Deutschland lief. Der Moderator erzählte von Vätern, die sich auf den Weg in die Moschee machen, von der Aufregung, die zuhause herrscht, die letzten Vorbereitungen für das große Frühstück und die Kinder, die erwartungsvoll um die Geschenktüten herum tanzen. Die vertrauten Geräusche aus dem Radio erfüllten unsere Küche – und ich sah
AB IN DIE WUTBOX
Ganz ehrlich? Ihr könnt mir mal den Buckel runterrutschen, ihr hasserfüllten Paukenhauer, globalen Klassenclowns und mediengeilen Störenfriede. Ihr lauten Menschen. Kauft euch ’ne schalldichte Wutbox und tobt euch dort aus, haut euch gegenseitig die Köppe ein. Aber das würdet ihr niemals alleine machen. Ihr funktioniert nämlich nicht ohne uns, die Moderaten dieser Welt. Ihr braucht uns. Was wäre eine Demonstration muslimischer Extremisten ohne Publikum? Was wären die islamischen Hassprediger auf der einen Seite und Ayaan Hirsi
40 KILO FREMDSCHÄMEN
Kennen Sie diese türkischen Großfamilien, die mit etlichen Koffern, zig Kartons, Rucksäcken und Taschen am Flughafen stehen und ewig lange am Flughafenschalter mit dem Personal diskutieren? Ich kenne sie. Und kennen Sie die pubertierende Tochter der Großfamilie, die ihr Gesicht beschämt in einem Buch vergräbt? Das war ich. Jedes Jahr die gleiche Tortur. Ich stand etwas abseits, las und versuchte möglichst unbeteiligt auszusehen. Ab und an schüttelte ich meinen Kopf, trat unauffällig einen weiteren Schritt zur
STILLE.
Nichts. Es ist eine merkwürdige Stille am Telefon. Er, nennen wir ihn Yunus, schweigt. Dann ringt er nach Worten. „Wie bitte?“ Er räuspert sich. „Wie kommst du da drauf?“, fragt er. „Also, das sagen ja viele, aber … Ich bin nicht so. Bin ich nicht.“ Die Stimmung ist angespannt. Ich entschuldige mich. Ich entschuldige mich für die unangenehme Situation, in der wir uns beide jetzt befinden. Yunus ringt nicht nur mit Worten, er ringt mit sich. „Es tut mir wirklich
SCHWEIGEN WERDE ICH GANZ SICHER NICHT
Das ist für dich. Du hast gekotzt. Immer wieder, am liebsten auf meinem Blog. Lass es raus, habe ich gedacht. Sollen doch alle sehen, wie krank du bist. Und trotzdem habe ich deine Kotze aufgewischt, weil ich den Gestank nicht mehr ausgehalten habe. Lange stand der Kotzeimer bei mir herum, jetzt kriegst du ihn wieder. Bitte schön, deine Kotze. Advent, Advent, ein Moslem explodiert, hast du in weihnachtlicher Stimmung geschrieben. Und dich gefreut. Häufig hast du dir